Bereich Spezialtechnik

1984 wurde durch Beschlüsse des RGW und der DDR-Regierung festgelegt, dass das Kombinat Robotron verstärkt in den Bereich Rüstungsaufgaben einzubeziehen sei. Vermutlich fiel die Wahl auf Robotron Radeberg wegen der dort vorhandenen langjährigen Erfahrungen in der Bearbeitung militärischer Aufgaben. 1985 wurde der Direktionsbereich Spezialtechnik aufgebaut. Damit waren der Neubau des Gebäudes 501 für Musterbau, Fertigung und Prüfung und die Übernahme des Kopfbaus 437 (bisher Industrieinstandsetzung) für Entwicklung und Technologie verbunden. Es entstand im Werk ein abgegrenzter Bereich mit ca. 230 Mitarbeitern, für den eine strikte Zugangsbegrenzung galt. Drei voneinander unabhängige Aufgaben wurden bearbeitet:

Jede Aufgabe wurde jeweils als geschlossene und unabhängige Aufgaben von strikt getrennten Mannschaften bearbeitet. Grundsätzlich durfte kein Themenbearbeiter des einen Themas die Arbeitsräume des anderen betreten, Aufgaben und Unterlagen einsehen oder an Lösungen mitwirken. Die beiden letztgenannten Aufgaben banden etwa zu gleichen Teilen 90% der verfügbaren Kapazität. Zusätzlich wurden Teilaufgaben mit weniger hohen Anforderungen an die Geheimhaltung an andere Struktureinheiten des Betriebes und teilweise auch an andere Betriebe des Kombinat Robotron ausgelagert. Anfang 1989 wurden das Thema Bordrechner beendet und einige zivile Aufgaben eingeordnet, um die freien Kapazitäten auszulasten. Ende 1989 wurde der Bereich Spezialtechnik aufgelöst.


Thema Chiffriertechnik

Mit der Verfügbarkeit von Datenfernübertragung und -verarbeitung entstand bei staatlichen Bedarfsträgern der Bedarf nach verschlüsselter Datenübertragung. Es lag dabei nahe, Wissensträger der Entwicklung hier in die Arbeiten einzubeziehen. Auftraggeber war das Ministerium für Staatssicherheit. Wie in solchen Fällen üblich, wurden die Bearbeiter entsprechend verpflichtet und die Arbeitsräume wurden abgeschottet. Darüber hinaus wurden die Bearbeiter bezüglich des Gesamtprojektes nur so weit in Kenntnis gesetzt, wie es zur Bearbeitung der Aufgabe erforderlich gewesen ist. Zunächst wurde die Aufgabe innerhalb des Entwicklungsbereichs Datentechnik bearbeitet, mit Bildung des Bereichs Spezialtechnik wurden die Mitarbeiter dort eingeordnet. Die Arbeitsräume befanden sich immer im Haus Technik unter dem Eingangsbereich.

Die Verschlüsselung der Daten erfolgte außerhalb der Datenverarbeitungssysteme beim Übergang zu den Datenübertragungsrichtungen. Es hat zwei Themen gegeben:

Bei den konstruktiven Ausführungen haben Fragen der Minimierung von Störausstrahlungen eine wesentliche Rolle gespielt.


Thema Bordrechner BZWM

Diese Aufgabe basierte auf einer Lizenz der sowjetischen Luftfahrtindustrie. Im Januar 1985 erfolgt durch die neu geschaffene Sicherheits­abteilung des Speziellen Werkes die Übernahme in Form von Dokumentationen (Konstruktionszeichnungen, Schaltplänen, Technischen Bedingungen und Technischen Forderungen an das Gerät sowie um hunderte Einzeltitel von sowjetischen staatlichen und Fachbereichs­standards, Verfahrensrichtlinien und Beschreibungen) sowie drei Mustergeräten. Es handelt sich dabei um den Bordrechner BZWM 20-701 unter der DDR-internen Code-Nr. Thema - Y06802. BZWM steht für Bordowaja Zifrowaja Wytschislitelnaja Maschina. Damit war formal der Bordrechner im Sinne der Lizenzgabe definiert, es gab jedoch keine begleitenden Maßnahmen zur Vermittlung des notwendigen Wissens. Vielmehr mussten alle erforderlichen Sachkenntnisse durch die Auswertung der russischen Dokumentation gewonnen werden.

[Grafik]

Die Art und Weise des Zusammenwirkens von Bordrechner und Flugobjekt ist zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen. Anstelle des Flugobjektes wurde ein Satz von tragbaren Prüfgeräten über Kabel mit dem Bordrechner verbunden und in dieser Weise erfolgten alle Funktions­prüfungen. Die Funktionstüchtigkeit war mit einer Testsoftware nachzu­weisen. Die Betriebssoftware des Bordrechners war nicht Leistungs­bestandteil. Sie war in der UdSSR entwickelt worden und blieb auch dort. Der genannte Satz Prüfgeräte wurde als KPA bezeichnet und war ebenfalls Lizenzgegenstand. Aus Kapazitätsgründen wurden die KPA-Bestandteile als Teilaufgabe herausgelöst und von Struktur­einheiten der Entwicklung Richtfunktechnik bearbeitet.

In funktioneller Hinsicht stellte der Bordrechner ein durchaus übersicht­liches Erzeugnis dar, bemerkenswert war dabei allerdings die mechanisch aufwendige Bauweise. Das war offenbar dadurch bedingt, dass hohe mechanische und klimatische Anforderungen erfüllt werden mussten. Obwohl keine Mikroprozessoren zum Einsatz kamen, war, ähnlich wie bei den damals üblichen Mikrorechnersystemen, die Rechnerelektronik auf fünf unterschiedliche Steckeinheiten verteilt. Diese als Paneel bezeichneten Steckeinheiten waren in Aluminium-Druckgussrahmen montierte 24-Ebenen-Mehrlagenleiterplatten (Hersteller KSG Gornsdorf) mit beidseitig aufgelöteten sowjetischen Flatpack Schaltkreisen. (Bild)

Ursprünglich bestand die Zielsetzung, alle Bauteile und Materialien des sowjetischen Erzeugnisses durch solche aus DDR-Produktion zu ersetzen, dabei waren Fragen der Wirtschaftlichkeit zweitrangig. Im Laufe des ersten Jahres wurde deutlich, dass dies nicht möglich war, da es in der DDR solche Materialien (Titanblech, Leiterplatten, Kleber) und zum überwiegenden Teil auch elektronische Bauelemente, die den geforderten hohen klimatischen und mechanischen Anforderungen standhielten, schlicht nicht gab. Die mit der Aufgabe befassten Mitarbeiter mussten deshalb zunächst mit großem Zeitaufwand und unter erheblichen physischen und psychischen Belastungen an der Schaffung einer technisch/technologischen Basis arbeiten und anstreben, die Bauelementeindustrie und andere Zulieferer zur Bereitstellung äquivalenter Materialien und Bauelemente zu beauftragen. Das erwies sich als nicht möglich und so mussten letzten Endes die sowjetischen Spezialisten von notwendigen Importen aus der UdSSR überzeugt werden.

Entsprechend den technologischen Grundsätzen der bisherigen zivilen Produktion, wurden die Leiterplatten in Gornsdorf und die bestückten Leiterplatten (BLP) in Riesa gefertigt, nunmehr natürlich ebenfalls in entsprechend extra geschaffenen LVO-Strukturen. Speziell für die Prüfungen beim BLP-Produzenten Robotron-Elektronik Riesa mussten aufwendige Prüfeinrichtungen geschaffen werden. Offenbar war der Lizenzgeber bei diesen Prüfeinrichtungen an unserem Know-how interessiert, denn hier waren Weiterentwicklungen seiner Prüfvorgaben durchaus gewünscht. Bei diesen Aufgaben wurden ebenfalls externe Entwicklungskapazitäten einbezogen.

Beide Prüfplätze sind in mehreren Exemplaren aufgebaut worden und haben funktioniert.

Nach einigen Funktionsmustern wurden zwei Anlaufmuster des Bordrechners (als Vorläufer von Fertigungsmustern) im Zeitraum Sept/Okt 1988 erfolgreich erprobt und waren elektrisch funktionstüchtig.

Anfang April 1989 vereinbarten die zuständigen Ministerien beider Länder, dass die Zweckmäßigkeit einer weiteren Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Produktion von BZWM in der DDR nicht mehr gegeben ist. Die Teams wurden aufgelöst und im Mai 1989 zivilen Aufgaben des Betriebes zugeordnet.